Verkehrsrecht Urteile aktuell

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde zum Zugang zu außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen

BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020
– 2 BvR 1616/18 -, Rn. 1-72,

Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Reparaturablaufplanes

Sofern ein Haftpflichtversicherer vom Geschädigten die Beibringung eines Reparaturablaufplanes verlangt, da er die Länge des Zeitraums für die Nutzung eines Mietwagens oder der Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung anzweifelt, muss er etwaige vom Reparaturbetrieb für die Zusatzleistung der Erstellung eines solchen Ablaufplanes erhobenen Kosten erstatten. Das Amtsgericht Bonn stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Kosten des Reparaturablaufplans derjenige zu tragen hat, der ihn verlangt hat. In der Regel wird dies nicht der Geschädigte, sondern der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer sein.

AG Bonn, Urteil vom 20.02.2020 – Az. 114 C 477/19

Zahlung restliches Sachverständigenhonorar

Hier hatte sich wieder einmal ein Amtsgericht mit der immer wiederkehrenden Frage der Angemessenheit von Sachverständigenkosten zu befassen. Im konkreten Fall hatte ein Sachverständigenbüro aus abgetretenem Recht den Differenzbetrag des vom Versicherer nach eigenem Ermessen nur anteilig regulierten Sachverständigenhonorars geltend gemacht. Auch das Amtsgericht München vertritt dabei die Auffassung, dass die Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (im Weiteren: BVSK) für das Gericht eine taugliche Schätzungsgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO zur Bemessung eines üblichen Sachverständigenhonorars darstellt. Auch hinsichtlich der Nebenkosten hatte sich der Kläger an die Vorgaben des BVSK gehalten, die im Übrigen im Einklang stehen mit den Grundsätzen des JVEG und der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26.04.2016 – Az. VI ZR 50/15). Zu den Nebenkosten wird ausgeführt:

„Hinsichtlich der Nebenkosten ist zu berücksichtigen, dass die Forderung von „Nebenkosten“, die u.U. nicht genau den tatsächlichen Aufwand abbilden, sondern „versteckte Gewinnanteile“ enthalten in Deutschland/ hier München von zahlreichen – wenn nicht allen Sachverständigen –  erfolgt,  also  absolut  üblich  ist.  Es  gibt  auch  keinerlei  gesetzliche  Grundlage,  wonach  ein Sachverständiger gehalten ist, seine Aufwendungen besonders gering zu halten.“

Anmerkungen:

Im örtlichen Umfeld unserer Kanzlei entspricht dies auch der regelmäßigen Rechtsprechung der hiesigen Amtsgerichte (AG Plön, Urteil vom 22.12.2017, AZ: 73 C 564/17; AG Rendsburg, Urteil vom 09.07.2018, AZ: 49 C 26/18; AG Plön, Urteil vom 28.05.2018, AZ: 71 C 63/18; AG Kiel, Urteil vom 01.06.2018, AZ: 110 C 22/18). Maßgeblich ist hier eine Entscheidung des Landgerichts Kiel vom 07.10.2016 – Az. 12 O 167/14 gewesen, in dem das Gericht zu einem versicherungsseitig hausinternen Honorartableau für Sachverständigenkosten ausführt:

„Andere als Schätzungsgrundlage geeignete Erhebungen (scil: als die BVSK- Honorarbefragung) sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt auch nicht das sogenannte H.-Tableau – Ergebnis der Fortführung eines Gesprächsergebnisses der H.-Haftpflichtversicherer und der BVSK-Geschäftsführung – als Grundlage in Betracht. Aus der Bereitschaft einer Versicherung – wenn auch unter Berücksichtigung von Informationen seitens des BVSK (welcher?) -, bestimmte Pauschalhonorare zu zahlen, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Ortsüblichkeit eines Honorars ziehen.“

Die durch den BVSK ermittelten Werte können als branchenübliche Preise zugrunde gelegt werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.03.2015, AZ: 10 U 579/15). Die BVSK-Honorarbefragung ist als taugliche Schätzgrundlage zur Ermittlung der Üblichkeit und Angemessenheit des Grundhonorars allgemein anerkannt (vgl. BGH, Urteile vom 11.02.2014, AZ: VI ZR 225/13 und vom 22.07.2015, AZ: VI ZR 357/13).

Amtsgericht München, Urteil vom 15.10.2019, Az. 322 C 9376/19

Keine 130 %-Grenze bei Sonderrabatt

Liegen die voraussichtlichen Kosten für die Reparatur eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeuges mehr als 30 % über dessen Widerbeschaffungswert, besteht in der Regel kein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, sondern nur auf Ersatz der Wiederbeschaffungskosten abzüglich des Restwertes des Fahrzeuges. Dieser Grundsatz kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die 130%-Grenze lediglich dadurch unterschritten wird, dass dem Geschädigten nicht näher konkretisierte Sonderrabatte auf die Werkstattrechnung gewährt werden. In diesem Fall ist die (widerlegbare) Vermutung  gegeben, dass entsprechende Sonderrabatte allein auf die Einhaltung der Grenze ausgerichtet und allein deshalb gewährt worden sind.

LG Bielefeld, Urteil vom 10.07.2019, AZ: 22 S 236/18

Mietwagenkosten und das "Werkstattrisiko"

Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur eines beschädigten Fahrzeuges sind auch dann vollumfänglich erstattungsfähig, wenn es aufgrund von Umständen, die in einer vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre liegen, zu einer überdurchschnittlich langen Anmietdauer kommt. Das gegebene Werkstattrisiko – sei es eine überdurchschnittlich lange Reparaturdauer, der Ansatz überhöhter Preise oder Arbeitszeiten oder die Inrechnungstellung unnötiger Arbeiten – geht zu Lasten des Schädigers.

AG Bremen, Urteil vom 07.06.2019, AZ: 3 C 37/18

Beweislastumkehr bei elektronischem Mangel

Grundsätzlich wird bei einem innerhalb der ersten 6 Monate auftretenden Mangel im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, sodass dem Käufer entsprechende Gewährleistungsrechte zustehen. Diese Vermutung greift jedoch nicht immer bei elektronischen Defekten, da diese jederzeit auftreten können. Das Vorliegen eines elektronischen Defektes bereits bei Übergabe kann durch einen Sachverständigen nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden.

AG Nordhausen, Urteil vom 08.10.2018, AZ: 22 C 347/17

Passivlegitimation der Unternehmensgruppe „HUK-Coburg“

Die „HUK-COBURG“ kann sich nicht auf fehlende Passivlegitimation berufen, da die Unternehmensgruppe im Rechtsverkehr selber nicht zwischen ihren verschiedenen Untergesellschaften differenziert. Die HUK-COBURG Allgemeine Haftpflichtversicherung a.G. und die HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse halten zum Einen jeweils 100 % der Anteile an der anderen Gesellschaft. Zum Anderen sind Anschriften und Vorstände beider Gesellschaften identisch. Insbesondere bei der Kürzung von Kleinstbeträgen durch die beklagte Haftpflichtversicherung ist in der Regel eine Erstattungsfähigkeit zu bejahen.

AG Riedlingen, Urteil vom 10.09.2019, AZ: 1 C 217/18

Verkehrsrecht Urteile

Haben Sie noch Fragen rund ums Thema Verkehrsrecht?

5/5 - (1 vote)